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Umstädter Flüchtlingscafé ist mehr als ein Willkommensgruß

fluechtlingscafe

dramatischer Flucht aus ihren Heimatländern täglich in Deutschland ankommen, ist gerade in den letzten Monaten stark zunehmend. Allein im ersten Halbjahr 2015 gab es laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit ca. 180.000 Asylanträgen mehr als doppelt so viele wie im gleichen Vorjahreszeitraum. Oft hört und liest man in den Medien davon, dass die Flüchtlinge hier ganz und gar nicht willkommen sind. Dass es auch anders geht, zeigt ein Beispiel aus Groß-Umstadt. Mit dem Flüchtlingscafé leisten Umstädter Bürger ganz praktische Integrationshilfe - für Flüchtlinge und Einheimische.

Vor dem Hintergrund, dass schon 100 Flüchtlinge da waren und noch weitere kommen würden, lud die Stadt Groß- Umstadt im Oktober 2014 ihre Bürger zu einem Runden Tisch ein, der sich mit der Flüchtlingsproblematik beschäftigen sollte. Eine Idee, die dort laut wurde, war die eines Flüchtlingscafés. Lorena Heil, damals Schülerin der 12. Klasse, übernahm kurzerhand gemeinsam mit Elisabeth und Paul Reinhard sowie Peter Kuhlmann die Initiative und Organisation. Die vier sehen in dem Café eine gute Anlaufstelle für Flüchtlinge und Einheimische, die einander kennenlernen wollen. „Die Hemmschwelle in die Flüchtlingsunterkunft „3 Plus“ zu kommen ist deutlich größer, als ins Flüchtlingscafé zu gehen“, erklärt Paul Reinhard. Im „3 Plus“, einer umgebauten ehemaligen Squash- Anlage im Industriegebiet, sind zurzeit 60 Flüchtlinge untergebracht: In der oberen Etage wohnen Frauen und serbische Familien und in der unteren Etage Männer. Bei den Männern sind jeweils vier in einem Zimmer untergebracht, jeder hat einen kleinen Schrank, ansonsten ist kein Platz. Die Frauen und Familien haben etwas mehr Raum.

Zum ersten Flüchtlingscafé wurden im November 2014 alle Interessierten auf beiden Seiten – die Flüchtlinge sowie die Einheimischen – zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Im evangelischen Gemeindezentrum finden Organisatoren und Gäste bis heute dafür ausreichend Platz sowie eine gute Infrastruktur und die gegebenenfalls benötigten Medien. Das Café wurde von Anfang an als Plattform, auf der sich Einheimische und Flüchtlinge ganz zwanglos kennenlernen und ins Gespräch kommen können, erfreulich gut angenommen.

Die Flüchtlinge im „3 Plus“ kommen aus Eritrea, Somalia, Äthiopien, Irak, Syrien, Albanien und Serbien. Meist haben sie den weiten Weg allein zurückgelegt, teilweise mit ihren Familien. So lebt beispielsweise eine serbische Familie mit acht Kindern in der Unterkunft. Deutsch lernen, ist wohl das oberste Ziel vieler Bewohner, dazu eine Wohnung und einen Job zu finden, um ihre Familien selbst versorgen zu können.

Kflom, ein Flüchtling aus Eritrea, erzählt von seiner Anfangszeit in Groß-Umstadt: „Am Anfang war noch keiner da, der geholfen hat. Über Artikel in der Zeitung kamen dann jedoch erste Kontakte zu Umstädter Bürgern zustande.“ Vor dem ersten Flüchtlingscafé hatten nur wenige Umstädter Kontakt mit den Flüchtlingen geknüpft, danach gab es kleinere Aktionen von Privatpersonen. Auch beim Fußball spielen lernte man sich besser kennen.

Mohammed Osman, 36 Jahre, Flüchtling aus Eritrea, gab dem UMSTÄDTER Auskunft darüber, warum er sein Heimatland verlassen musste und wie er hier in Groß-Umstadt aufgenommen wurde: „In Eritrea habe ich keine Zukunft gesehen. Ich wusste nicht, wie ich leben und meine Familie - meine Eltern und Geschwister - unterstützen sollte. Da es nur wenig Arbeit gibt, muss man dort zum Militär. Dann wird man jedoch stark an das Militär gebunden und kommt kaum wieder davon weg. Ich hatte nur einen Monat Urlaub im Jahr, um meine Familie zu besuchen. Außerdem war mein Verdienst viel zu gering, um meine Familie zu ernähren.“ Seit einem Jahr und elf Monaten ist Mohammed Osman nun in Deutschland. Er war zunächst drei Monate in Gießen, kam anschließend nach Groß-Umstadt. „Hier habe ich erste Kontakte geknüpft. Das Flüchtlingscafé und das Fußball spielen haben viel dazu beigetragen, Leute kennenzulernen“, erzählt der 36-Jährige, der seit September einen Deutschkurs in Darmstadt macht, zwei Mal pro Woche in Groß-Umstadt im Verein Fußball spielt und gern eine Tischlerausbildung absolvieren möchte. Zudem möchte er auch eine eigene Wohnung finden, wofür er sich Hilfe wünscht.

Die Geschichten einiger Frauen aus Eritrea sind der seinen ähnlich, da dort auch Frauen zum Militär eingezogen werden. Ebenfalls im „3 Plus“ wohnen die jungen Frauen Aster, Meseret und Mezan. Sie haben sich vor einem Jahr und sieben Monaten auf der Flucht im Sudan kennengelernt und wurden von Gießen aus nach Groß-Umstadt geschickt. Sie hatten bereits einen Deutschkurs in Darmstadt absolviert und lernen hier mit engagierten Bürgern weiter. Neben ihrer ehrenamtlichen Deutschlehrerin und Elisabeth Reinhard, die einmal die Woche zum Karten spielen zu ihnen kommt, haben sie noch weitere Kontakte zu Umstädtern. Sie gehen gern ins Schwimmbad oder spazieren und besuchen dienstags das „Global“, ein Treff organisiert von der evangelischen Kirche.

Der größte Wunsch von Johannis, einem gelernten Mechaniker aus Eritrea ist es, hier in Deutschland etwas zu lernen und arbeiten zu dürfen. Er empfindet es als sehr unbefriedigend, einfach nur herumzusitzen, was er nun schon seit zwei Jahren machen muss. Wichtig ist für ihn, die deutsche Sprache zu lernen. Allerdings wird den Flüchtlingen erst, wenn sie offiziell als solche anerkannt werden – was bis zu zwei Jahre dauern kann -, ein Deutschkurs bezahlt. Bis dahin müssen sie den Unterricht selbst zahlen. Unterstützung finden sie aber auch in diesem Fall bei ehrenamtlichen Helfern, die einmal pro Woche einen Sprachkurs für die Flüchtlinge im „3 Plus“ anbieten.

Kflom, gelernter Maler, hat schon probiert, in Dieburg über die Agentur für Arbeit an einen Job zu kommen. Leider hat er jedoch keine Erlaubnis erhalten. „Bei der Jobsuche geht es gar nicht darum, was ich will, sondern das zu nehmen, was ich kriegen kann“, sagt Kflom, der seit zwei Jahren in Deutschland ist und auch die entsprechenden Papiere hat. Generell sind die Männer im Wohnheim für alle Optionen offen und nehmen an Arbeit, was sich bietet.

Das Flüchtlingscafé entwickelt sich zu einer festen Institution für die Begegnung und den Austausch zwischen Einheimischen und Flüchtlingen. Hier ist einerseits ein Ort, an dem man die kulturellen Gepflogenheiten des jeweils anderen kennenlernen kann. So konnten die Umstädter bei einem internationalen Sommerfest des Flüchtlingscafés im Gruberhof beispielsweise einer etreischen Kaffee-Zeremonie beiwohnen. Andererseits können im Flüchtlingscafé auch ganz praktische Tipps hinsichtlich Deutsch- Unterricht, Wohnungen, Jobs oder Amtsgängen vermittelt werden. Auch ist hier Raum für materielle Anfragen und Angebote. So wurden schon Fahrräder gesammelt und repariert, eine Kleiderkammer eingerichtet, die zweimal pro Woche geöffnet hat, und auch Gebrauchsgegenstände wie Geschirr und Computer organisiert. Gelagert werden die Sachen im Pfälzer
Schloss. Zudem sind Kooperationen mit Vereinen aus den Treffen im Café erwachsen. Weitere Privatpersonen haben ganz praktische Hilfe wie Deutschkurse oder Begleitung bei Arztbesuchen angeboten.

Neben dem gemeinsamen Essen und Trinken wurde im Flüchtlingscafé auch schon gemeinsam musiziert, da Musik ja bekanntlich die Kommunikation auch über Sprachbarrieren hinweg fördert. Aber auch Freizeitaktivitäten werden gerne angeboten. So wurde im Juli in den Außenanlagen des evangelischen Gemeindehauses Federball gespielt und im August ein Picknick veranstaltet.

WER SELBST KONTAKT SUCHT... kann gerne zu den Spieleabenden, die immer donnerstags um 19 Uhr von den Organisatoren des Flüchtlingscafés im Wohnheim angeboten werden, hinzukommen. Auch der Besuch und die Unterstützung des Flüchtlingscafés als solches wäre wünschenswert: Dieses findet einmal im Monat zu unterschiedlichen Terminen, die in der lokalen Zeitung und auf der Homepage der Stadt Groß-Umstadt nachzulesen sind, statt.

Die Flüchtlinge freuen sich über jeden Kontakt zu den Umstädtern. Die bisherigen Begegnungen haben sie stets als freundlich und hilfsbereit empfunden und freuen sich verstärkt in das Stadtleben integriert zu werden. Schade finden sie allerdings, dass Kontakte bislang nur über das Flüchtlingscafé und einige Privatleute entstanden sind. Seitens der Stadt habe sich bisher noch niemand großartig um sie gekümmert. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.